Judith

Als Ende 2017 bei mir (49, Österreicherin) zum zweiten Mal Brustkrebs diagnostiziert wurde, hatte ich einen ganz anderen Plan für die kommenden Monate. Ich wollte in Italien, in der Kirche Jesu Christi des Universums, deren Weg schon seit Jahren zu meinem geworden war, den Weg als Paar vertiefen. Da ich bei meinem ersten Tumor bereits Chemo- und Strahlentherapie gemacht hatte, lehnte ich die von der Schulmedizin vorgeschlagenen Therapien ab, auch wenn es sich nicht um Chemo- oder Strahlentherapie gehandelt hätte. Und da wir in den Jahren des Wegs in der Kirche Jesu Christi des Universums den Bereich der neuen Medizin als wichtigen Bestandteil erkannt hatten, (die neue Medizin geht davon aus, dass der Mensch aus Geist, Seele und Körper besteht und dass sowohl das Funktionieren dieser drei Elemente, als auch die Beziehung untereinander die Gesundheit des Menschen stark beeinflussen), wollte ich sehen, wohin mich ein auf diesen Grundsätzen basierender Weg führen würde. Im Gebet hatte ich alles vor Gott hingelegt, um meine Entscheidung treffen zu können.

Unterstützt von der Gemeinschaft mit den Mitgliedern der Kirche Jesu Christi des Universums wollte ich den Weg, den Gott mir nach der Diagnose aufzeigte, im einfachen Alltagsleben leben, ohne meine Krankheit in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei sollten die Blockaden der Seele und das, was das Fließen des Lebens zwischen Geist, Seele und Körper blockierte, zum Vorschein kommen.

Es war wichtig für mich, den anderen mitteilen zu können, was an die Oberfläche kam, zum Beispiel die Angst vor dem Tod. Ich erkannte, dass es einerseits die Angst vor dem Unbekannten war, die Angst, eine Realität zu verlassen, die man kennt, um einzutreten… ja, natürlich in eine Realität, an die ich glaube, die aber in diesem Moment für mich nicht greifbar war. Und andererseits die Angst vor dem Augenblick des Todes, vor diesem letzten Augenblick, dem sich jeder Mensch allein stellen muss; dieser Kampf, den der Heilige Franz von Assisi als einen Kampf beschrieb, bei dem er sich nackt dem nackten Feind stellen wollte; dieser letzte Augenblick der Wahrheit.

All diese Dinge, die in mir hochkamen, alles, was mich beschäftigte, konnte ich in die Heilige Messe mitnehmen, um es in die Hände des ministeriellen Priesters zu legen, damit es auf den Altar des Himmels erhoben werden konnte.

Obwohl ich mich zunächst geweigert hatte, Medikamente zu nehmen, musste ich mir, als die Schmerzen zu stark wurden, eingestehen, dass ich es ohne Schmerzmittel nicht mehr schaffte. Ich empfand es als Erleichterung, den anderen meine Angst mitteilen zu können, dass die auf Morphin basierenden Schmerzmittel Halluzinationen auslösen könnten. Wir lachten viel, als wir uns vorstellten, was ich nicht alles würde sehen können… Der Austausch mit den anderen hat mir geholfen, zu einer wichtigen Erkenntnis über die Medikamente zu kommen, die ich nehmen musste, und zwar dass Gott größer ist als jedes Medikament, jede mögliche Therapie, und selbst wenn sie eine bestimmte Wirkung haben, steht Gott über allem und kann sie seinem Plan entsprechend einsetzen. Diese Erkenntnis begleitet mich bis heute und hat sich auch bei anderen Fragen bewährt (zum Beispiel auch in Bezug auf den Covid-19-Impfstoff).

Als die Schmerzen stärker wurden, konnte ich mich immer weniger selbst versorgen. Selbst bei kleinen Dingen wie Waschen oder Anziehen benötigte ich Hilfe, bis schließlich meine Beine gelähmt wurden. Während dieser ganzen Zeit hatte ich Menschen an meiner Seite, die mir nicht nur halfen, sondern dies auch gerne taten. Und genau diese Freude, die sie mir vermittelten, half mir, die Angst eine Last zu sein, zu überwinden.

Aufgrund der Schmerzen und der Tatsache, nicht mehr richtig gehen zu können, musste ich darauf verzichten, an der Heiligen Messe teilzunehmen. Ich musste zur Teilnahme an der Himmlischen Liturgie im Geist zurückkehren: Das war nicht leicht für mich, da die Gnaden, die ich in der Heiligen Messe berührte, unmittelbarer und vollständiger waren als bei der Teilnahme an der Himmlischen Liturgie. Dazu kam, dass es die Schmerzen meinem Geist erschwerten, sich im Gebet zu erheben.

Mit Hilfe der Gemeinschaft und dem Weg der Medizin nach den Gesetzen des Geistes war es mir möglich, viele meiner Blockaden zu lösen, hatte aber meinen Weg als Paar außer Acht gelassen. So dachten wir, dass wir die Zeit, die meine letzte zu sein schien, nutzen könnten, um auch diesem Thema auf den Grund zu gehen.

Im Laufe der Zeit wurde mir bewusst, dass meine „Mission“, wenn man das so nennen kann, darin bestand, mich mit all dem auseinanderzusetzen, was mit meiner Krankheit Hand in Hand ging. Zuvor hatte ich nämlich Angst, auf meinem Weg zu Gott stehenzubleiben, da ich so sehr auf mich selbst zurückgeworfen war. Erst vor kurzem habe ich begriffen, dass diese Verpflichtung, mich dem zu stellen, was die Krankheit mir vorgibt, nicht bedeutet, nicht mit der Gnade Schritt zu halten oder vom Weg zu Gott, den die anderen Mitglieder des Volkes gehen, abzuweichen, sondern dass dies gerade das Wesen dieses Weges ist, den jeder Menschen entsprechend seiner Identität und Sendung gehen muss.

Nach Österreich zurückgekehrt musste ich mir überlegen, wie ich mit der Schulmedizin weitermachen sollte: Anfangs hatte ich die Befürchtung, dass ich, würde ich die Therapien der Schulmedizin akzeptieren, den Weg hintergehen würde, den wir in der neuen Medizin eingeschlagen hatten. Ich hatte nicht begriffen, dass das eine das andere nicht ausschließt, sondern dass sie Hand in Hand gehen müssen. Dass ein ständiges Hören auf Gott notwendig ist, um zu verstehen, in welche Richtung man gehen, welche Therapie man machen oder welche Medikamente man nehmen soll. Dabei wurde mir immer klarer, wie wichtig die Unterstützung des Volkes und dessen Hingabe ist, um auf Gott hören zu können. So begann ich, alle meine Entscheidungen, meine Therapien, meine Medikamente und natürlich meine Ärzte Gott zu übergeben. Ich betete zum Heiligen Uriel und zu seiner Zelle der neuen Medizin, mich zu begleiten, und dankte Gott für das Volk, das mich unterstützte. Mir half: Gott ist größer als jede Therapie, als jedes Medikament. Und so vertraute ich auf Gott.

Im Laufe der Zeit erholte ich mich körperlich, entgegen aller Voraussagen. Ich war immer noch im Rollstuhl und vom Becken abwärts gelähmt, als ich immer mehr das Gefühl hatte, innerlich tot zu sein. Dieses Gefühl zeigte sich auch meinem Partner gegenüber. Alle Gefühle ihm gegenüber waren verschwunden, und das weitere gemeinsame Leben schien sich auf das Bedürfnis zu beschränken, jemanden an meiner Seite zu haben, der sich um mich kümmerte. Wir hatten immer deutlicher das Gefühl, als ob Gott dies nicht von uns verlangen würde. Unser Weg als Paar endete also, wenn auch mit großem Bedauern.

Dieser innerliche Tod hatte auch Auswirkungen auf das Leben, das seinen ganzen Reiz, seine ganze Schönheit verloren hatte. Ich musste mich zwingen aufzustehen, mir eine Beschäftigung zu suchen, um bis zum Abend durchzuhalten. Selbst die Spaziergänge änderten nichts. Ich sah die Natur erwachen, die Blumen blühen, die Sonne scheinen, aber nichts berührte mich innerlich. Das Schwerste war, dass sich dieses Gefühl des Todes auch Jesus gegenüber in der Eucharistie zeigte. Ich spürte nichts, als ich vor Ihm stand, weder seine Gegenwart noch seine Liebe. Nicht einmal im Gebet fand ich Trost. Ich dachte, dass dieser Weg in der Kirche Jesu Christi des Universums, auf dem sich selbst abzusterben eine der Grundlagen ist, mich darauf vorbereiten würde, mit einer solchen Situation umzugehen. Ich erinnerte mich an Zeugnisse anderer Menschen, die sich auf ihrem Weg zum Tod hin völlig Gott hingegeben konnten und einen tiefen Frieden und eine große Gelassenheit erlebten. Sie fühlten sich von Gott begleitet und getragen. Mir hingegen fiel es sehr schwer, diesen inneren Tod zu ertragen und zu sterben schien mir wirklich der einzige Ausweg, um dem Leben, das mir zur Last geworden war, entfliehen zu können.

Die wenigen Momente, in denen ich aufatmen konnte, waren meine Telefonate mit meinen Schwestern und Brüdern der Kirche: Ich erzählte ihnen von meinem Kampf und davon, diesen inneren Tod zu empfinden. Sie halfen mir zu verstehen, dass ich meine Vorstellungen davon, wie ich mit der Krankheit zu leben hätte, ebenso loslassen musste wie mein früheres Leben. Ich hätte mich sonst lediglich auf das konzentriert, was ich nicht hatte oder nicht mehr haben konnte, und hätte nicht gesehen, dass mir bereits alles zur Verfügung stand, was ich brauchte. Sie halfen mir zu erkennen, dass es schon ausreichte, diesen Kampf um das Leben zu leben und ich nichts weiter tun musste. Es genügte, das Leben zu leben, so gut ich konnte.

Meinen Schwestern und Brüdern alles, was mich bewegte, zu erzählen, war genauso wichtig wie meine Ausbrüche vor Gott. Ich warf Ihm alles, was mich belastete an den Kopf: meinen Kampf, um weiterzumachen, diesen inneren Tod, aber auch meinen Schmerz, weil ich dachte, es würde diesen Tod, diese ganze schwere Situation brauchen, um mich und mein Leben mit Ihm in Einklang zu bringen. Einmal, nachdem ich alle Tränen geweint hatte und mich innerlich gereinigt fühlte, erkannte ich in der darauffolgenden inneren Stille, dass es mir nicht zustand, über mich selbst zu urteilen, dass ich nicht in der Lage war zu beurteilen, warum ich diese ganze Situation durchlebte und wozu es diente, weil nur Gott es weiß. Nur Gott weiß alles über mein Leben. Er weiß, was nötig ist und auf welche Weise.

In diesem Zusammenhang kam in mir auch die Frage nach der Liebe Gottes hoch. Dieser innere Tod, die Müdigkeit, die Schmerzen waren allgegenwärtig. Nichts davon sprach zu mir von seiner Liebe. Das Kreuz, das ich zu tragen hatte, schien mir viel zu schwer. Wo also war seine Liebe? Wo war der liebende Vater, der seine Kinder wie seinen Augenstern beschützt, während mein Leben immer schlimmer wurde? Und auch da, in der Stille nach dem Ausbruch, wurde mir klar, dass ich die Liebe Gottes auf falsche Weise gesucht hatte, dass ich die Liebe des Vaters nach menschlichen Kriterien gemessen hatte. Ich wollte sie auf menschliche Weise spüren, ein Gefühl, das das Herz erfüllt, das Trost und Erleichterung spendet. Stattdessen war auch hier ein Akt des Glaubens notwendig. Auch hier musste ich zu Ihm sagen: „Ich weiß, dass Du mich liebst. Ich spüre Dich nicht so, wie ich es gerne hätte, aber ich weiß, dass Du da bist. Ich weiß, dass Du jeden Augenblick meines Lebens führst. Ich weiß, dass das, was Du tust, zu meinem Besten ist, auch wenn es sich nicht so anfühlt. Ich weiß, dass alles, was geschieht, seinen Sinn hat, auch wenn ich ihn nicht sehe oder verstehe.“ Dann schaute ich auf Jesus am Kreuz, was für ein Leiden und was für eine Liebe!

Ich weiß nicht warum, aber im Jahr 2019 konnte ich meine Beine langsam wieder bewegen. Ich hatte nichts Besonderes getan und auch dieser innere Tod war noch da, aber mir war bewusst, dass dieses – für mich – Wunder zu diesem Zeitpunkt in Gottes Plan passte. Ich bekam ein neues Hüftgelenk, weil der Oberschenkelkopf abgebrochen war, aber danach begann ich langsam wieder zu laufen.

Im Jahr 2019 begannen wir auch, uns als Zelle bei mir zu Hause zu treffen. Auch diese Entscheidung musste ich im Glauben gehen, denn selbst bei den gemeinsamen Gebeten spürte ich die Gegenwart Jesu nicht. Aber unser gemeinsamer Weg wurde bestätigt, als wir Anfang 2020 zu einem Lichtpunkt wurden.

Anfang 2020 spürte ich, dass es an der Zeit war, die Schmerzmittel zu reduzieren. Vielleicht als Folge davon oder aus einem anderen Grund nahm der innere Tod langsam ab und ich hatte immer längere Phasen, in denen ich ihn nicht mehr spürte. Wo es vorher keine Möglichkeit gegeben hatte, von innen heraus gegen diesen Tod zu reagieren, verstand ich nun, was ich zu tun hatte. Doch eines ist sicher: Ich hatte nichts zu all dem beigetragen. Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass ich in allem von Gott abhängig bin, dass ich selbst mein Leben nicht verändern kann, dass ich nur Geschöpf bin.

In dieser Zeit musste ich auch einen anderen für mich wichtigen Schritt tun. Einmal, als ich an der Himmlischen Liturgie teilnahm, fragte ich während des Akts der Hingabe plötzlich, ob meine Hingabe tatsächlich echt sei, ob ich denn wirklich bereit wäre, Gott freie Hand in meinem Leben zu lassen und mich, wenn nötig, auch wieder in diesen inneren Tod schicken zu lassen. Ich gebe zu, dass meine Antwort nicht sofort kam, ich spürte sehr viel Widerstand in mir. Und nur im Vertrauen zu Gott konnte ich Ihm schließlich mein Leben wieder ganz übergeben. Ich denke, seitdem ist meine Hingabe viel bewusster geworden.

Zu Beginn meiner Krankheit habe ich nicht wirklich verstanden, warum eine Krankheit ein Geschenk sein kann. Jetzt weiß ich, dass es so ist. Ich war gezwungen, bestimmte Schritte zu tun. Es gab keinen Ausweg. Die Krankheit half mir dabei, bestimmte Situationen leichter zu akzeptieren und gewisse Dingen loszulassen, weil ich keine andere Wahl hatte. Die Krankheit wurde auch ein Schutz. Ich muss mehr auf mich hören und meinen Rhythmus respektieren, weil ich nicht mehr so viel Kraft habe wie früher.

Einige Dinge sind mir geblieben, wie zum Beispiel die Angst vor dem Tod, aber jedes Mal, wenn sie hochkommt, vertraue ich sie Jesus an in der Gewissheit, mit Ihm durch die Angst hindurchgehen zu können. In einer Botschaft am Ende des Jahres 2019 hat uns die Heilige Jungfrau Maria gesagt, dass Sie im Moment des Todes an unserer Seite sein wird. Ich empfand es als wunderbares Zeichen ihrer mütterlichen Fürsorge!

Dieser Weg durch die Krankheit hat mich oft gezwungen, meine Gedanken zu ändern und meine Vorstellungen loszulassen, aber er hat mich vor allem gelehrt zu glauben. Und ich kann dem Herrn nur danken, dass ich seine lebendige Gegenwart jetzt wieder spüre.