Medjugorje – Teil 2

Von Mauro, Loredana und Luisa

(aus dem Buch „In Medjugorje ist die Muttergottes lebendig“ Gespräche mit Pater Tomislav Vlašić; Hrsg. Luci dell’Esodo)

Eine neue geistige Dimension

Was hat das Ereignis „Medjugorje“ für dein Leben bedeutet?

Den Ereignissen der Gnade in Medjugorje zu begegnen war der entscheidende Moment in meinem Leben, es war eine neue und endgültige Etappe in meiner Beziehung zu Gott. In mir öffnete sich endgültig eine neue Dimension, denn die Erscheinungen der Muttergottes in Medjugorje stellen meiner Meinung nach eine neue Wende in der Kirche dar. Diese Erscheinungen übertreffen alle geistlichen Bewegungen und Methoden, sie führen den Menschen zu einer persönlichen Beziehung mit dem lebendigen Gott, sie führen ihn dazu, sich auf den Weg zu machen und Gott von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Gott von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, überwindet alle Methoden oder Formeln, die uns einsperren, und wenn wir uns Ihm ganz hingeben, erweckt uns die Begegnung mit Gott und wandelt uns um.

Wenn ich von den Erscheinungen spreche, beziehe ich mich nicht nur auf die Erfahrung der sechs Seher, sondern ich gehe noch weiter: Ich betrachte das Ausmaß des Wirkens des Heiligen Geistes in verschiedenen Menschen, in einfachen Seelen, die die Gegenwart des Heiligen Geistes und der Muttergottes auf ihrem Gesicht zum Ausdruck brachten. Ich denke auch an diejenigen, die tiefe und unterschiedliche Erfahrungen mit der Mutter Gottes in ihrem Leben gemacht haben, die mit Medjugorje verbunden sind. Meine Sicht auf das Phänomen der Erscheinungen ist sehr weit gefasst, obwohl in Medjugorje das, was durch die sechs Seher geschieht, zentral bleibt, als eine besondere Gnade, die die Menschen versammelt und durch die Muttergottes zu Gott führt.

Wenn ich darüber nachdenke, was zu Beginn der Erscheinungen geschah, kann ich sagen, dass die Muttergottes lebendig war, im wahrsten Sinne des Wortes gegenwärtig. Aber die Tiefe und Weite all dessen kann man nur verstehen, wenn man den Verlauf der Ereignisse in ihrer langen Entwicklung betrachtet. Mit dem Kommen Marias öffnete sich in meiner Seele eine völlig neue Dimension, viel weiter als die Erfahrungen, die ich bis dahin gemacht hatte. Und natürlich weitete sich mein Blick durch die Arbeit, durch die Begegnungen und die Zeugnisse, die ich hörte, immer mehr.

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, was das Kommen der Muttergottes nach Medjugorje in meinem Leben bedeutet hat, kann ich sagen, dass ich eine völlige Veränderung erfahren habe. Das bedeutet nicht, dass ich eine komplette Verwandlung erreicht habe, aber ich meine, dass sich meine Lebensanschauung verändert hat, dass sich meine Vision der Spiritualität verändert hat. Ich könnte zusammenfassend sagen, dass alles neu geworden ist, weil Gott alles neu erschafft. Das ist die Perspektive, die sich vor mir geöffnet hat und die ich angenommen habe.

Es ist allen bekannt, dass sich die Kirche noch nicht offiziell zu den Erscheinungen von Medjugorje geäußert hat, weil diese noch nicht abgeschlossen sind. Mir scheint jedoch, dass, selbst wenn die kirchliche Obrigkeit in Zukunft die Echtheit der Erscheinungen anerkennen würde, diese Anerkennung keinerlei Kraft in jenen hätte, die passiv darauf warten. Ich habe nämlich festgestellt, dass einige Leute ungeduldig auf die Anerkennung der kirchlichen Obrigkeit warten und ihre Bekehrung bis zu diesem Zeitpunkt aufschieben, aber man kann nicht passiv auf ein Dokument warten und denken, dass es unsere Bekehrung bestimmen wird. Deshalb, selig sind jene, die in ihrer Einfachheit diese Gnade schon heute leben! Denn ich denke, dass diejenigen, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht geglaubt und gebetet haben, es auch dann nicht tun werden, wenn die kirchliche Anerkennung kommt. Diejenigen hingegen, die mit dem Gebet und der Bekehrung begonnen haben, sind bereits auf dem richtigen Weg.

Gott möchte nur, dass wir vertrauensvoll und in der Hingabe an seinen Willen leben. Der Herr selbst wird die Gnade der Erscheinungen in den Menschen bestätigen, die sich bekehren. Dank ihnen wird die kirchliche Obrigkeit in der Lage sein, die Früchte zu sehen und die Erscheinungen anzuerkennen. Das ist die Überzeugung, die mich in diesen Jahren geleitet hat. Deshalb habe ich versucht, im Glauben weiterzugehen, in einer fortwährenden Bekehrung und so dem Volk Gottes diesen Weg zu zeigen.

Der Dienst in der Pfarre von Medjugorje

Erinnerst du dich, wann du zum ersten Mal nach Medjugorje kamst und wie du deinen Dienst in dieser besonderen Pfarre antratest?

Ich kam am 29. Juni 1981 zum ersten Mal nach Medjugorje, eingeladen von einigen Pfarrangehörigen aus Čapljina, wo ich Pfarrer war. Sie stammten ursprünglich von dort, hatten mir von den Erscheinungen erzählt und wollten, dass ich sie begleite. Ich war in Zivil gekleidet, ohne meine Ordenskleidung, und beobachtete aus der Ferne die Erscheinung, die sich auf dem Podbrdo zutrug. Ich konnte nichts Besonderes bemerken, außer der Vielzahl der Menschen, die sich versammelt hatten. Ich traf mich mit einigen der Seher, mit Vicka, Jakov und Mirjana. Bei Vicka hielt ich mich länger auf. Das Beeindruckendste war die tiefe Überzeugung aller drei, die in ihnen nicht den geringsten Zweifel an den Erscheinungen der Muttergottes aufkommen ließ: Ihr Verhalten erschien mir gesund. In mir kam das Gefühl hoch, dass ein Priester hätte anwesend sein sollen, dass er die Gläubigen hätte begleiten müssen, um ihnen auf ihrem Weg zu Gott zu helfen, ungeachtet dessen, was geschehen würde.

Danach kehrte ich mehrmals nach Medjugorje zurück, um bei der Beichte zu helfen, aber meinen Dienst in der Pfarre begann ich erst, nachdem Pater Jozo ins Gefängnis gebracht worden war1.

Die Muttergottes lebt, Gott lebt

Diejenigen, die damals nicht in Bijakovići auf dem Erscheinungsberg und in Medjugorje waren, können diesen Punkt nicht verstehen; diejenigen aber, die dort waren, verstehen. Der Kampf, den wir mit dem kommunistischen Regime führen mussten, war nicht für die Muttergottes oder gegen die Muttergottes; das Regime legte uns Steine in den Weg, weil es die Menschen daran hindern wollte, durch die Erscheinungen der Muttergottes lebendig zu begegnen. Die Pfarrangehörigen erinnern sich noch gut daran, als im Dezember 1981 Vertreter der Staatsgewalt aus Sarajevo sie in die Schule riefen. Auch ich war anwesend. Diese Politiker sagten, dass die Behörden nichts gegen Gott oder die Muttergottes hätten, und sie hätten auch nichts dagegen, dass die Gläubigen in die Kirche gehen; aber sie hatten etwas gegen diesen „Fanatismus“ und behaupteten, diese Erscheinungen und Ereignisse in Medjugorje hätten nichts mit dem Glauben zu tun. Als Antwort auf diesen Überzeugungsversuch ergriff ich das Wort und sagte: „Im Evangelium ist alles lebendig, alles ist wundersam. In Wahrheit besteht das ganze Evangelium aus solchen Ereignissen, in denen die Menschen die Muttergottes lebendig erkennen. Für diese Menschen ist all das heilig, und diejenigen, die sich dem widersetzen, beleidigen ihre Seelen.“ Dies drückt im Wesentlichen die ganze Spannung aus, die damals in Medjugorje zwischen der atheistischen politischen Macht und dem Glauben des Volkes bestand. Das Volk erkannte die Gegenwart der Gnade, sie erkannte die lebendige Muttergottes und antwortete auf die Impulse der Gnade; es hatte keine Angst, sich der Macht zu widersetzen oder ins Gefängnis zu gehen, weil es dem lebendigen Gott und der lebendigen Muttergottes treu bleiben wollte.

Die gelebte Eucharistie

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Heilige Messe in der Pfarrkirche morgens gefeiert worden. Einige Tage nach Beginn der Erscheinungen begann Pater Jozo, die Eucharistie in den Abendstunden zu feiern. Die Menschen begannen, sich spontan zur Beichte und zur Heiligen Messe zu versammeln und die Eucharistie und die anderen Sakramente immer lebendiger und tiefer zu leben. Die Feier dieser gelebten Eucharistie wurde zum Hauptproblem für die politische Macht. Alles, was die Vertreter des Regimes versuchten, war, die Abendmesse abzuschaffen, sie zu verbieten, Menschen und Priester von dieser Messe fernzuhalten. Während einer Sitzung, in der die politischen Machthaber darauf bestanden, die Kirche abends zu schließen und die Abendmesse abzuschaffen, sagten sie: „Feiert die Eucharistie am Morgen, so wie bisher.“ Der inzwischen verstorbene Pater Zrinko antwortete scherzhaft: „Meine Herren, Jesus hat nicht das letzte Frühstück, sondern das letzte Abendmahl eingeführt.

Das ganze Jahr 1981 stand im Zeichen des Kampfes für die lebendige Eucharistie; ich denke dabei nicht nur an den Kampf gegen das atheistische Regime, sondern vielmehr an den Kampf, den die Pfarrangehörigen von Medjugorje und all jene, die nach Medjugorje pilgerten, um die Sakramente zu empfangen und auf lebendige Weise an der Heiligen Messe teilzunehmen, aushalten mussten. Die Menschen belebten die Eucharistie und wurden im Gegenzug von ihr genährt. Die auf diese Weise gelebte Eucharistie stellte eine Gefahr für den Atheismus dar, aber sie war Nahrung für alle Gläubigen.

Die lebendige Kirche

Es ist unmöglich, alle Erfahrungen zu schildern, die ich in diesen ersten Monaten der Erscheinungen mit dem Volk gemacht habe. Die Menschen kamen in den Tempel Gottes, die Kirche, wie zu einer unerschöpflichen Quelle. Ich erinnere mich, dass im Herbst 1981, nach der Weinlese, die Menschen bis zu drei Stunden am Stück in der Kirche blieben. Nach dem Beten von zwei Rosenkränzen, nach der Feier der Heiligen Messe, blieben die Menschen für die Anbetung des Allerheiligsten; alle waren auf den Knien. Nicht einmal in den Klöstern herrschte eine solche Stille während des Gebets. Mehrere tausend Menschen, die in der Kirche zusammengepfercht knieten, verfolgten die Anbetung so gesammelt, dass man nicht einmal eine Fliege fliegen hörte. Das Volk war unaufhaltsam, niemand konnte ihm den Weg zu Gott versperren.

Ein anderes Beispiel kommt mir in den Sinn. Es war November und sehr kalt. Starker Frost bedeckte die Wiesen. Ich musste nach Čitluk fahren. An der Kreuzung der Straße, die Medjugorje mit Miletina verbindet, stand ein Wachposten, steif vor Kälte und spärlich bekleidet. Ich suchte nach den richtigen Worten, um ihn zu grüßen und zu ermutigen. Ich öffnete das Autofenster und grüßte mit den Worten: „Gelobt seien Jesus und Maria!“, „Gelobt seien sie allezeit!“, antwortete mir der Mann, und bevor ich ein Wort sagen konnte, begann er mit mir zu sprechen und sagte: „Pater, machen Sie weiter! Wir werden es schaffen, unseren Glauben zu bewahren, haben Sie keine Angst!“

Es gab viele solcher Beispiele, denn dieses Volk war lebendig in Gott und mit Gott. Diese Pfarrgemeinde war wirklich eine lebendige Kirche. Was für ein wunderbares Ereignis! Die lebendige Muttergottes, die gelebte Eucharistie, der lebendige Gott inmitten seines auferstandenen Volkes! Dies war das Zeichen, das uns die Königin des Friedens hinterlassen hat, und es ist das Zeichen, das am Ende der Zeit bleiben wird, wenn Gott inmitten seines Volkes lebendig sein wird.

Ich möchte hier noch ein weiteres Element hinzufügen, das von Interesse sein könnte: die Beziehung, die sich zu den politischen Vertretern der damaligen Zeit aufgebaut hatte. Anfangs dachten die Regierenden, dass die Menschenmenge, die sich in Medjugorje versammelte, eine Art Staatsstreich anzetteln könnte, deshalb waren sie sehr streng und befürchteten einen Volksaufstand gegen die kommunistische Ideologie. Ihre Strenge in der Anfangszeit war einigermaßen verständlich. Als sie dann feststellten, dass eine solche Gefahr nicht drohte, „schlugen sie eine neue Seite auf“. Um den ersten Jahrestag herum begann sich ihre Haltung zu ändern, da sie sich davon überzeugt hatten, dass das Zusammenkommen der Menschen in Medjugorje keinerlei politische Bedeutung hatte.

Ein Jahr später, genauer gesagt im Winter 1983, begann jedoch eine neue Aktion, die von den damaligen Behörden gesteuert wurde und darauf abzielte, den „religiösen Tourismus“ einzuführen und den raschen Bau von Häusern, die diesem Zweck dienen sollten, zu fördern: eine Aktion, die die Landschaft stark verunstaltete, wie man heute noch sehen kann. Von diesem Moment an änderte das Regime völlig seine Taktik: Es begann, die Erscheinungen der Muttergottes und das Zusammenkommen des Volkes für seine eigenen Interessen auszunutzen und sich materiell zu bereichern. Menschen, die nichts mit dem Glauben zu tun hatten, begannen nach Medjugorje zu strömen. Mit einem Wort: Satan begann, sein Zelt neben der Kirche Gottes zu errichten, um die Gläubigen, die die Gnade der Erscheinungen wirklich erkannten und zu Gott gehen wollten, ständig in Gefahr zu bringen.

Trotz aller Angriffe und Versuchungen versuchten die Menschen, ihren lebendigen Glauben an Gott zu bewahren. Diese Haltung sorgte dafür, dass sich die Menschen von Beginn der Erscheinungen an auf ein solides Fundament stützten.

Ich möchte auch betonen, dass die Dynamik des geistlichen Kampfes, den wir in Medjugorje erlebt haben, immer dieselbe sein wird und bis zum Triumph der Unbefleckten Jungfrau andauern wird. Satan wird alles tun, damit die Muttergottes unter ihren Kindern nicht lebendig ist, damit Sie auf eine Ideologie, eine historische Erinnerung, eine Statue oder eine Tradition reduziert wird. Diejenigen, die sich von ihm täuschen lassen, werden im Laufe der Zeit Gott und Maria gegenüber gleichgültig werden, weil sie in die Finsternis eintreten werden. Dann wird auch in Medjugorje das Volk erkalten können, die Kirche wird kalt werden, wenn die Gläubigen es nicht verstehen, gegen die Versuchungen des Bösen zu kämpfen und sie zu überwinden. Deshalb rufe ich alle auf: Lasst uns im Glauben erwachen und uns diesem Kampf stellen, der bis zum endgültigen Triumph des Unbefleckten Herzens immer erbitterter sein wird!

Diese frühen Jahre waren, wie du sagst, von einer besonderen und starken geistlichen Dynamik geprägt. Wie hast du dich als Priester in diese völlig neue Realität eingefügt?

Die Dynamik war stark und reich. Ich bin dem Geheimnis begegnet. Wir Priester waren überrumpelt worden, denn keiner von uns kannte diese Dimension: Wir kannten nur die Theorie der Erscheinungen. Wenn der Mensch dem Geheimnis des ewigen Lebens begegnet, begegnet er etwas, das er mit dem Verstand nicht erfassen kann. Das ist die wahre Begegnung mit dem Geheimnis, das alle menschlichen Vorstellungen übersteigt.

Andererseits war trotz des Geheimnisses alles einfach. Es war einfach, weil Gott durch die Jungfrau Maria die Menschen berührte und sie auf diesen Impuls reagierten. Es war auch einfach, weil man den Menschen nicht nachlaufen musste, damit sie kamen: Die Menschen der ganzen Pfarrgemeinde und von anderswo strömten buchstäblich in die Kirche.

Ich werde das beeindruckende Erlebnis der Abendmesse nie vergessen. Bereits um achtzehn Uhr gab es keinen Platz mehr in der Kirche. Ich habe bereits erwähnt, dass die Menschen in der Kirche absolut still waren: Ich konnte das Gebet leiten und dabei die Stille spüren und einatmen, weil die Menschen auf ganz natürliche Weise teilnahmen und das Wort Gottes aufnahmen. Unter diesem Gesichtspunkt war der Dienst in der Pfarrgemeinde von Medjugorje sehr einfach.

Es sind aber auch die Schwierigkeiten bekannt, die wir wegen des damaligen politischen Drucks, wegen der Inhaftierung von Pater Jozo und auch anderer Brüder, wegen ständiger Verhöre und Verfolgung erlebt haben. Aber all dies hinterließ keinen negativen Stachel in unseren Seelen. In diesen Momenten spürten wir wirklich die Erfüllung dessen, was der Heilige Paulus den Römern verkündet hatte, nämlich dass die Leiden nichts sind im Vergleich zu der Herrlichkeit, die uns erwartet2. Schließlich waren all diese Widrigkeiten wie ein Hauch im Vergleich zu der Kraft der Gnaden, die Gott in meine Seele und in die Seelen von uns Priestern gegossen hat. Wir empfanden nur Freude und Dankbarkeit gegenüber Gott für den Dienst, den wir verrichten konnten, und wir waren sicher, dass Er alles führte.

1 Pater Jozo wurde am 17. August 1981 verhaftet; Pater Tomislav kam am Tag darauf nach Medjugorje, um im Auftrag des Provinzials der Minderbrüder dort seinen Dienst zu versehen. Er blieb bis 1984 in Medjugorje.

2 Vgl. Röm 8, 18