Schritte zur Überwindung der Prüfung (Teil 1)

(aus dem Buch „In Medjugorje ist die Muttergottes lebendig“ – Gespräche mit Pater Tomislav Vlašić; Verlag Luci dell’Esodo)[1]

Pater Tomislav Vlašić

„Der einzige Ausweg besteht alleine darin, Schritt für Schritt im Glauben weiterzugehen. Das war es, was ich zu tun versucht habe. […] Der erste Schritt bestand also darin, im Herrn auszuruhen, und die Führung meines Lebens und das Werk, das ich bis dahin verwirklicht hatte, in seine Hände zu legen. Dieser Schritt der Hingabe hatte mehrere Folgen. Zunächst einmal war die Prüfung nützlich für mich, um mich auszuruhen. In den Prüfungen, am Kreuz Gott hingegeben, erlebte ich eine tiefe Ruhe. Das ist die Ruhe im Herrn, die kein Mensch geben kann, sondern nur Gott.

Damit verbunden ist der zweite Schritt: sich bewusst zu werden, dass Gott alles im Leben ist und dass Er alles auf vollkommene Weise lenkt. Dadurch begannen in meiner Seele Frieden, Freude und vor allem Dankbarkeit Gott gegenüber zu erwachen, weil Er mir alles genommen und mir dadurch die Möglichkeit geschenkt hatte, neu geboren zu werden. In mir bildeten sich ein neues Bewusstsein und eine schöpferische Kraft. Das Ergebnis all dessen war die Umwandlung meiner Person.“

Frage: Deinen Worten zufolge könnte man meinen, es wäre einfach und angenehm gewesen. War es das?

Pater Tomislav

„Nein, es kann nicht alles einfach sein. Jesus ist ein Beispiel für uns. Er selbst hat am Kreuz die Unmöglichkeit des Handelns erfahren und was es bedeutet, sich selbst abzusterben: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?»[2] Diese Worte sind so wichtig, weil sie den Durchgang zum neuen Leben bezeichnen, wenn wir Gott treu bleiben, so wie Jesus treu geblieben ist. In diesem Durchgang stirbt der vergängliche Mensch mit all seinen Zweifeln, Unsicherheiten, falschen Hoffnungen, mit all dem, was ohnehin dazu bestimmt ist, nach dem Tod zu verschwinden. Was bleibt, ist das Leben in Gott, ewig und unvergänglich.

Dieser Durchgang ist auch deshalb so wichtig, weil er nicht hin und wieder im Leben geschieht, sondern in jedem Moment, wirklich in jedem Augenblick! Wenn die Augen unserer Seele offen sind und wenn wir Gott treu sind, dann ist unser ganzes Wesen in Ihm, in der Ewigkeit, verankert, sodass uns nichts überraschen oder verletzen kann. Und in jedem Augenblick werden wir auf die Probe gestellt, ob wir in uns selbst, in etwas oder in jemandem verankert sind. In dieser menschlichen Verankerung kann das Leben keinen festen Stand haben. Nur der Halt und die Verankerung in Gott geben Stabilität.

Die großen Prüfungen, auch wenn sie schmerzhaft sind, sind wichtig, weil sie all das in uns zu Fall bringen, was nicht Gott ist. Gleichzeitig wecken sie uns auf und lehren uns, so zu leben, dass uns keine Prüfung mehr etwas nehmen kann. Wenn wir den Weg des Lebens auf diese Weise gehen, dann können wir mit dem Heiligen Franz von Assisi die Wahrheit leben: „Mein Gott und mein Alles!“

Frage: „Was war das Wertvollste, das du in jenem Lebensabschnitt entdeckt hast?

Pater Tomislav

„Das Wertvollste war für mich die Stille als Gnade, als Tugend. Nicht die Stille, in der wir uns selbst verschließen und in der wir ersticken. Es ist sehr wichtig, das in uns zu unterscheiden. Die Stille, in der wir uns verschließen, ist eine große Gefahr. Sie ist ein Zustand des Todes, auch wenn wir uns dessen nicht sofort bewusst sind. Sie nährt unsere Fluchten, unsere Fantasien, unsere negativen Gefühle und unsere Passivität. Der Mensch dreht sich um sich selbst. Die dauerhafte Anwesenheit einer derartigen Stille in der Seele ist ein Zustand des Todes. Aus dieser Stille entstehen alle krankhaften Ausprägungen des Menschen.

Die göttliche Stille ist etwas anderes. Sie ist ein Geschenk des Himmels, ein Geschenk des Lebens. In dieser Stille schweigen alle Stimmen, außer der Stimme Gottes, die rein und klar wird. So wie alle anderen Stimmen verschwinden, verschwindet auch all das, was den vergänglichen Menschen und das kranke Leben nährt. In der göttlichen Stimme nimmt die Seele den Willen Gottes wahr, der sie aufbaut, fördert und zur Fülle führt. Dann erweckt der Heilige Geist die Kreativität in ihr, Er bereitet sie darauf vor, mit Christus zu regieren. Der Mensch, der in der göttlichen Stille erwacht, sucht vor allem Gott und nicht so sehr die Dinge, die Gott ihm geben kann. Er taucht in das göttliche Leben ein und nicht in den Aktivismus. Wenn er aus dieser Stille heraus handelt, dann offenbart der Mensch die Harmonie von Gottes Sein und Handeln, die in Ihm eine Einheit bilden. Er erkennt die Gefahr, in sich selbst gespalten zu sein und kehrt daher sofort zum Leben Gottes zurück. Es reicht ihm nicht mehr, heilige Bücher zu lesen und darüber nachzudenken, sondern er sucht Gott, der die Quelle der Weisheit ist, um von Ihm unterwiesen zu werden. Für ihn sind Gaben, Fähigkeiten und Erfolge nicht wichtig.

Diese Stille ist ein Geschenk Gottes. Er bietet sie jenen an, die demütig und empfindsam sind, die bereit sind, sich selbst immer wieder abzusterben und offen für seine Stimme zu sein. Die göttliche Weisheit lässt uns in den Prüfungen, in denen wir alles verlieren, alleine, damit wir nur Gott suchen können, wie die Frauen, die Jesus im Grab suchten. Sie fanden Ihn lebendig, auferstanden, und auch sie selbst erlebten die Auferstehung. Auf diese Weise bringt die göttliche Stille in uns das Gebet hervor, den Hunger nach dem lebendigen Gott und richtet uns auf Ihn aus. Eine derartige Stille nährt den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, sodass wir nicht wanken. Sie schützt alle Früchte des Heiligen Geistes in uns und bringt sie in Einklang, sie führt uns zur Fülle des Lebens in Gott.“

[1] Der Originaltitel des Buches lautet: “A Medjugorje la Madonna è viva“ – Colloqui con Padre Tomislav Vlašić; dieses Buch ist derzeit nur auf Italienisch, Englisch und Kroatisch erhältlich.

[2] Vgl. Mt 27, 46